passages

ISIDOR

Flüsterpost. GERALD FIEBIG gibt vor. Seine ursprüngliche Intension, die Frequenzen und deren Charakter, welche er aus einem ganz bestimmten Grund und exakt so fest hielt, wie er es gemacht hat, gibt er weiter, lässt sie los in dem Wissen, das anschließend vielleicht nichts mehr so sein wird wie es war („Man muss auch mal loslassen können!“). Wie lange die Effektschlaufe, die Flüsterpost sein wird und wie krass deren Verfremdung, darauf hat er keinen Enfluss mehr. Die „Passages“ (ver)wandeln sich im Lauf der Zeit, in der passage of time. Am Ende wird dem Absender das Resultat der Verwandlung, der Weiter- oder Rückentwicklung präsentiert. In seinem Kopf: Das Original zum Vergleich. Ob er mit dem, was schlussendlich verstanden wurde, zufrieden ist, ob es ihm ein Lächeln isn Gesicht zaubert, bleibt sein Geheimnis.

https://isidor-fanzine.de/

VITAL WEEKLY

The next collaboration is between those powers that be Attenuation Circuit records. Is it a collaboration? Perhaps not. Gerald Fiebig handed in a collection of sounds (called 'sonic objects'), be it field recordings, found sounds, instrumental parts, electronic sequences, "both archival and original" (which, I gather, means that the archived ones aren't his making), and that many of these have a personal meaning to Fiebig, which he handed to EMERGE, the musical project of Sascha Stadlmeier. There is something about how he organises these sounds and samples, but I found that a bit too complicated to understand, and I didn't see the relevance to the outcome (or maybe, I am lazy or suffering from heat). Emerge comes up with five pieces of music. In my opinion, the three pieces that are over ten minutes (one is over twenty) are the best ones. EMERGE builds these pieces slowly, adding minimal elements to the mix and slowly changing the action. Overall, the sound is quiet for reasons I am unsure about. Especially in the fifth passage, the music drops quite a bit in volume. I would think that things would sound different with a bit of mastering. The music is somewhere at the crossroad between musique concrète and industrial music, with the occasional sidedish of drone music. EMERGE applies a collage-like principle to the music in the two shorter pieces, but it does not always work here, staying too much in a mix of shortish sounds and loops. 'Passage 3' sounds very much like Asmus Tietchens' recent music, but without the tension. I am happy with the three long pieces as they are.

http://www.vitalweekly.net/1390.html

BAD ALCHEMY

Für EMERGE plays GERALD FIEBIG: passages (attenuation ef­fect 1033 / gebrauchtemusik 039) hat der gebrauchtemusik-, Text- & Ton-Macher Fiebig dem AC- & Klangkunst-Macher Sa­scha Stadlmeier Zugang gewährt zu einer Auswahl von mit Er­innerungen und Gefühlen verbundenen Feldaufnahmen, Fund­stücken, instrumentalen und elektronischen Sequenzen. Als ein Akt des zutraulichen Anvertrauens, ohne Vorgaben, was der daraus mit seinen Roland SP-404-Samplern macht. Die 'Ent­fremdung' der Klänge und wie sie da in einem anderen Licht erscheinen, wird als Objektivierung und 'Befreiung' akzeptiert. Sie macht im Grunde auch nur bewusst, was immer geschieht, wenn Persönliches, als Kunst oder sonstwie, öffentlich wird. Der 'Sender', sein Innerstes und seine Intentionen stoßen auf 'Empfänger' wie frisch geschlüpfte Schildkrötchen auf ihre Fressfeinde, wie Ware in der Auslage auf die kundschaftenden Blicke von Flaneuren und Banausen. Intimität? Herzblut? Publi­ziert ist es immer Naked Lunch. Hier kann man die von Emerge angeeigneten, geformten und weitergereichten Klänge sich auf den Trommelfellen, in den Cochleas zergehen lassen. Nennt es Konsum, Kommunion, kreatives Missverstehen, Kommunika­tion. Ein Prisma für Mode, Reklame und Prostitution (im weite­ren Sinn), um auf die Passagen-Obsession Walter Benjamins abzu­stellen, der hier natürlich nicht fehlen kann und auch nicht fehlt. Fiebigs Assemblagen-Artwork deklariert den Prozess als 'anti­faschistisch + gemeinnützig', und verweist mit 'S.I.' auf das Dé­rive und Détournement der Situationistischen Internationale und ihre Warnung vor der Rekuperation. Emerge wirft dazu eine Turbine (Heizung, Lüftung, Honigpumpe) an, deren wie durch schwankenden Bedarf helldunkel moduliertes Dröhnen zuletzt beschnarrt, beploppt und mechanisch zerzuckt wird (1). Trop­fen werden mit Daumen jaulend zerrubbelt und lachhaft be­quiekt (2). Monotone Impulse und bestialisch rumorende durch­stoßen die Stille (3). I-A-O wirft flötende Wellen, eintönig bepulst, bebrodelt, beorgelt, im­pulsiv und verkehrslärmig aufgewühlt, brummig und Ziegel zerscheppernd geloopt, und die Spieluhr klimpert die 'Internationale', an Gräbern, statt an Wiegen (4). Vögel piepsen, Schüsse fallen, das Meer leckt sich die Lippen, zu Atemzügen schnurrt es motorisch, meckern Ziegen. Durch eine schläfrige, leise Delle hindurch dämmert die Erkenntnis, dass ein Menschenleben sich durch Natur und Technik, die jetzt wie ein Lastwagen dröhnt oder surrig bebt, seine Passage bahnt und notorisch Arnold Stadlers Mahnung ignoriert: Ein­mal auf der Welt. Und dann so?

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