Sanozama

ISIDOR

Und es rockt doch in diesen spacig-psychedelisch ausgedehnten Impro-Sessions, bei denen sich der Hörer vermutlich ebenso überraschen lassen darf wie die Musiker, als sie 2019 für die Aufnahmen zusammen kamen. Wir befinden uns hier nicht in ruhigem Gewässer und touristische Ausflugsboote findet man eher selten. Das, was auf den ersten Blick wie harmlose Schaumkronen wirkt, sind in Wirklichkeit chemische Verbindungen, welche in der Natur nichts verloren haben. Wenn Godzilla gegen das Smogmonster verloren hätte, könnte dies der Soundtrack dazu sein. Die blubbernden geräusche kommen nicht von ungefähr, denn von allen Seiten strömen andere Quellen, Bäche, Flüsse hinzu. Sie erzählen ihre Geschichten – und die sind tragisch. Für das Wasser, das Land, die Kontinente. Für die Menschen und alles andere, was überleben will, sowieso. Aber noch fließen sie, so der Gedankengang eines unverbesserlichen Optimisten, obwohl alle wissen, dass wir auf den Abgrund zu steuern und es nicht den Anschein macht, als würde das jemand ernsthaft verhindern können. Oder wollen, je nach Position. Die Menschen vergessen gerne, wenn die Wahrheit ungemütlich ist. Warnmeldungen aus der Wissenschaft legt man gerne erstmal zur Seite und hoifft, dass irgendwann Gras drüber wächst. So wie über die Treppen auf dem Backcover dieses Albums, welche von den nazis gebaut wurden: möglichst flach, damit sie mit großen Schritten in militärischer Marschordnung bewältigt werden. Auch so ein Thema, das man hierzulande gern ad acta legt.

https://isidor-fanzine.de/

VITAL WEEKLY

Here's a true story: these three Doc Wör Mirran releases arrived on the same day; two directly from the band and one from Attenuation Circuit. Before I started playing with these, I carefully inspected the covers. One of these seems to be a solo release by founding father Joseph B. Raimond; one is an older work from Raimond and Peter Schuster (also known a Tesendalo) from 1998, and a collaborative effort with Sascha Stadlmeiner (voice, noises, effects) and Gerald Fiebig (samples, effects) as guests. Next to the guests are Raimond (guitar, bass), Michael Wurzer (keyboards), Stefan Schweiger (theramin [sic]) and Adrian Gormley (saxophone, effects). It's here where I started because I suspected this would see the group in their current sound; spacious free rock music with a leading role for the saxophone. I was wrong. Perhaps Gormely uses way more sound effects than we are used from him, but the sound of the sax is not omnipresent. Instead, the six players have a more electro-acoustic approach to their music. A sort of early Kluster (sans the biblical narrative), meeting with MEV and free improvisation. It has a neat krauty and cosmic sound, and yet nothing all too tightly arranged. Like a fine jazz combo, each player gives way to other players and takes up a role in the overall proceedings. Sometimes, perhaps, a bit too loosely orchestrated, but I think that is part of the charm. It has very much the idea of a concert recording.

http://www.vitalweekly.net/1384.html

BAD ALCHEMY

Sascha STADLMEIER (noises, effects, voice) und Gerald FIEBIG (samples, effects) waren im Juni 2019 on the road und machten dabei Station in Fürth, um in den Two Car Garage Studios die Freundschaft mit ?DOC WÖR MIRRAN zu vertiefen. In einer Session mit Joseph B. Raimond (guitar, bass), Michael Wurzer (keyboards) und Adrian Gormley (saxophone, effects) – das Theremin von Stefan Schweiger ist von Geisterhand hinzugemischt. So entstand mit Sanozama (ACU 1054) der 208. Release von DWM, gewidmet dem 'King of Afropunk' und Drummer der Dead Kennedys D.H. Peligro. Um den Augiasstall des Spätkapitalismus auszumisten und das 'Empire of Dirt' mitsamt Amazon & Co. als dessen 'Kronjuwelen' wegzuspülen, wird der Amazonas rückwärts gestaut. Der Widernatürlichkeit der Profiteure, die für hirnlose Fresser aus dem Amazonasgebiet Hackfleisch machen und den Regenwald veraasen für Plantagen, steht die Vision entgegen, dass die Natür ihrem natürlichen Bedürfnis nachkommt und auf die Menschheit scheißt. Ein elektroakustischer Flow pfeift mit stechenden Frequenzen, dröhnenden Wellen und liquider Fluktuation auf das verbohrte Cheap Cheap Cheap und Mehr Mehr Mehr. Grollende Tieftöne unterminieren das zwanghafte Immersoweiter, 'Der Schrecken vom Amazonas' ist längst mutiert zum Hoffnungsträger eines Chthulhuzän. Sirrende und surrende Strömungen versumpfen in brütender, kleinlauter, schwammiger Stagnation, auch das sind Hoffnungszeichen, nicht weniger wie die aus Steinfugen aufblühenden Wildblumen, die Sascha fotografierte, oder Raimonds farbenfrohes Coverpainting 'The Happy Eggs'. Aus gutem Grund ist die Hoffnung eine gedämpfte, ein von Melancholie verschatterer Substream, denn die Rodungsmaschinen fressen sich mit eisernem Biss ständig weiter voran. Doch auch die Gitarre hält am silbernen Faden, der Bass am trotzigen Widerstand fest. Stadlmeier loopt einen Klageton, Eisen stürzt, Kaskaden brodeln und pfeifen, ein harkendes Geräusch kreist, Wellen branden, Schritte knurschen, aber auch das aggressive Sirren lässt nicht nach. Wer das als ambient goutiert, schluckt einige Widerhaken mit.

http://badalchemy.de/