Zur Arbeit I
by RLW - PAAK
Ralf Wehowsky and Peter Kastner, aka RLW and PAAK, present their third collaborative album in a series of concept albums dedicated to various subjects. This record, their first on attenuation circuit, is about work, and as on the previous records (about food and religion, respectively), the titles, liner notes, and the sound itself suggest a rather sarcastic take on work, or more precisely, the situation of working people today.
Ralf Wehowsky has been a fixture on the international experimental scene since his 1980s work with P16.D4 and related projects on the Selektion label. The fusion of electronic sounds and non-musical, musique concrète material is characteristic of much of his work. Peter Kastner, working both in improvised sound and visual arts, brings a low-fi approach to jerrybuilt sound objects to the collaboration. By contrasting everyday noise that might well have been recorded in a factory, or factory canteen, with startlingly artificial, almost deliberately cheesy harpsichord and mellotron sounds, they create a tension between a nostalgia for beauty and the barrenness of everyday life, in three pieces, or perhaps movements. The liner notes leave no doubt as to what the three movements stand for: The 19th century with its mass exploitation of industrial workers (courtesy of a quote by Karl Marx), the 20th century with its progress toward more social security for working people, and the 21st century, which sees an erosion of solidarity as neoliberal policies take away social benefits such as rent-controlled housing.
File under: electronica, musique concrète
ACW 1004
blue marbled 12" Vinyl Album
Released in 2016
limited to 300 copies
price: 16.00 EUR (excl. postage)
Aufgenommen 2014/2015.
PAAK: Mikrophonie, Stimme, Lärm, Kantinen-Konstruktion
RLW: Instrumente (Harpsichord, Mellotron, Rhythmusbox),
Transformationen, Schnaps- und Gerberei-Konstruktion
EMERGE: Drahtast (Seite 2)
photography by Andrea Forster
design by EMERGE
peterkastner.eu
permarevplatten.blogspot.de
Zur Geschichte der Arbeit I:
19. Jahrh.: "Der ehemalige Geldbesitzer schreitet voran als Kapitalist, der Arbeitskraftbesitzer folgt ihm nach als sein Arbeiter; der eine bedeutungsvoll schmunzelnd und geschäftseifrig, der andre scheu, widerstrebend, wie jemand der seine eigne Haut zu Markt getragen hat und nun nichts andres zu erwarten hat als die – Gerberei." (KM)
20.Jahrh.: Gut, dass wir jetzt weiter sind: Schnaps, Kantine & Sozialwohnung …
21. Jahrh.: Wo ist denn jetzt die Sozialwohnung? Also dann doch wieder die Gerberei ...
Also available here: http://www.discogs.com/seller/dependenz?sort=price&sort_order=asc&q=attenuation+circuit&st
BLOBLOG
Zum Osterabend bin ich endlich einmal wach genug gewesen und habe die richtige Stimmung und Zeit gehabt, die Platte "Zur Arbeit I" auf den heimischen Teller zu legen. Zwar habe ich sie mir schon einmal zu Gemüte geführt seit den zwei Monaten, in denen sie in meinem Besitz ist, aber Genuss und Verständnis solcher Musik lassen dann doch etwas zu wünschen übrig, wenn man eigentlich schon dabei ist ins Bett zu fallen. Denn mit einer Sache kann man sich bei Veröffentlichungen des Augsburger Labels attenuation circuit sicher sein: Easy Listening bekommt man von dieser Seite nicht serviert. Und das ist auch gut so!
Gleichwohl hat man es in meinen Augen mit den vorliegenden Kompositionen mit Hintergrundmusik zu tun. Ein Zitat Karl Marx' bildet die einführenden Worte des Begleittextes der Platte. Der Arbeiter, "der seine eigene Haut zu Markt getragen hat und nun nichts andres zu erwarten hat als die - Gerberei", bildet den Leitgedanken des Albums, ergänzt um die Erleichterungen des 20. Jahrhunderts wie "Schnaps, Kantine & Sozialwohnung", zwei davon vertont auf dem Tonträger, die jedoch im 21. Jhdt. z.T. wieder wegfielen, zugunsten der Gerberei.
Bedeutungsschwangere Erklärungen zu Ralf Wehowsky, der hinter RLW steckt lasse ich einmal beiseite, da das von meiner Seite vorgeheucheltes Wissen wäre und jene, die dies erwarten, werden ja wohl selbst genug über ihn wissen.
Seite 1
Auf Schnaps jedenfalls jedenfalls kann man zwei unterschiedliche Motive erhören. Eines ist an der Straße mit geschäftigem Treiben zu verorten. Hupen, das Meer, etwas sirenenartiges (Anlieferverkehr?) ist zu vernehmen und wird abgelöst durch wirres Klaviergeklimper und umgekehrt. Arbeitsalltag und vermeintliche Erleichterung, zwei Teile, die mit vorbeischreitender Zeit immer weniger auseinanderzuhalten sind. Die klimpernden Phasen wirken dabei immer ekstatischer und nehmen Oberhand. Doch erhaben
Plitscheplatsche - welch feuchtfröhliches Cover
klingen sie nie, sondern stets billig, schräg, gedämpft und bieder, dabei jedoch auch aufdringlich. Eine Mischung aus gedämpftem Unterwassertotentanz à la Neue Rungholter Tänze, Sonntagsradio und mit späterem Einsetzen der Rhythmusbox auch Disco. Die konkreten Werkszenen lösen sich auf in dieser Masse, werden von Rauschen übertönt und verschwinden im weiteren Verlauf nahezu restlos in einem Delirium der Unterhaltung, in das falsch geblasene Engelsflötentöne gelockt haben. Klassische Streicher, vermutlich aus einem Kinoschinken, begleiten das Drama, bis es am Ende in lautem Rauschen und Wellenschlag endet. Blackout oder Kopf über der Toilette, wer weiß das schon? Gleichzeitig kommen wir wieder zurück in die Realität und damit vermutlich zur Arbeit. Wenig gruselig, doch etwas verstörend endet die Reise in tägliche Tristesse, durchbrochen von Genüssen, die eher sedierend denn erholend wirken.
Seite 2
Es ist blau
Da kann dann vielleicht wenigstens die Kantine auf Seite 2 Abhilfe schaffen. Küchenchef dieser ist PAAK. Was dabei allerdings aus den Boxen hämmert, wirkt eher nach Arbeitermassen, die sich den Fleischtöpfen entgegenschieben. Wabernde Störgeräusche, Hämmern und Kratzen wirken eher, als sei man in einer Fabrikhalle. Einzigen Ruhepol bieten Gesprächsfetzen von Menschen, bei denen teilweise nicht klar auszumachen ist, ob mn es mit Gesprächen oder einem *omnomnom* als Zeichen schnellen Schlingens und Kauens zu tun hat. Als Komposition bietet der Titel eine leicht unheimliche Soundlandschaft, mit ein bisschen Veträumtheit und einem PVC-Boden-Charme Marke 70er Jahre.
"Arbeit, Arbeit, Arbeit. Arbeit? Arbeit!", so startet der letzte Titel des Albums "Gerberei". Dumpfe hallende Geräusche geben einen nicht mitreißenden Beat vor und mischen sich mit Arbeitsgeräuschen von Sägen und Signaltönen. Im ersten Abschnitt laut, dann immer gedämpfter, darüber gelegt eine triste getragene Melodei, die entfernt an den Schnaps von Seite 1 erinnert. Leicht beruhigt melancholisch gehen diese beiden Ströme eine Melange ein, dazu als Kommentar: "Arbeit? Arbeit, Arbeit, Arbeit." Alles verliert sich langsam mit etwas space-artigen Klängen und wiedereinsetzendem Anfangsbeat, dann kommt nach Pause Teil drei. Die melancholische Klangkulisse wird übertönt von nun wieder lauteren Werkgeräuschen, die nun wesentlich härter klingen. "Aaaarbeiit" tönt es dazu nun langsam und kraftlos. Die Haut scheint endgültig dem Markt geopfert zu sein. Etwas zieht es sich noch hin, dann ist es vorbei.
Fazit
Sie glauben an nichts mehr? Hier finden Sie Halt.
Was bleibt zu sagen: Eine Schallplatte, ein Kommentar und zwar kein positiv ausfallender über verlorene Arbeiter, die sich der Arbeit hingaben. Ernüchternde Darstellungen von vermeintlichen Segnungen, Orte vorausgeplanter Freude: Massennotbeglückungsanstalten für die Mittagspause, dazu nach Feierabend Produkte zur Ruhigstellung. Glück in geregelten Bahnen, Glück in Schnapsgläsern, die sich hier mit Wellengeräuschen reingekippt werden: Zur Arbeit I liefert keine großen Schrecken, keinen Mittelfinger an die Arbeit, aber dafür einige Szenarien klanglich umgesetzt, die trotzdem dem Motto "Arbeit ist scheiße" genügend Futter geben, nur auf eine äußerst dezente Weise.
Aber gibt es auch noch etwas außerhalb des Kommentars? Abgesehen von Botschaften ist die Stimmung, die diese Platte musikalisch innehat schwerer zu vermitteln und doch greift aus meiner Sicht heraus der Begriff 'erdend' am ehesten. So aufwühlend amelodisch Schnaps in Teilen auch ist, ist es doch der Anfang einer Spirale nach unten. Etwas aufwendiger als Ambient über zum Teil industrialartige Episoden und Klassik hinweg liefert diese Musique Concrète-Kollaboration ein unwohles Gefühl in der Magengrube kurz vor ins Bett schluchzen. Die perfekte Musik für den anspruchsvolle Musik liebenden Goth an einem Sonntagabend, bevor es am nächsten Tag wieder "zur Arbeit" geht und Zyniker, vielleicht auch noch ein paar andere Menschen.
Geliefert wird die Platte in dunklem, (schwer) durchsichtigem Blau mit Informationsblatt über Auflage, Beteiligte, verwendete Musikunstrumente und der eingangs erwähnten Erklärung. Dazu gibt es eine nummerierte Plastikhülle und einen Downloadcode.
http://bloblog-oblo.blogspot.de/2018/04/arbeit-arbeit-arbeit-zur-arbeit-i-von.html
BAD ALCHEMY 91
Arbeit klingt unfein und unfrei, nach Feind von Freizeit, Urlaub, Spaß und Kunst. Nicht so bei WORK und bei ARBEIT, nicht so bei Zur Arbeit I (ACW 1004, LP, blaues Vinyl) von RLW & PAAK. Nach dem "Erst kommt das Fressen..." von "Mahlzeit" (2008) und dem "Opium für das Volk" von "Klingelbeutel" (2012) nun Marxens schmunzelnder Kapitalist und sein Arbeiter, "der seine eigene Haut zu Markt getragen hat und nun nichts anderes zu erwarten hat als die - Gerberei." Ein Dreisatz aus Schnaps, Sozialwohnung und Fell über die Ohren, konstruiert und transformiert mit Cembalo, Mellotron, Rhythmusbox, mit Peter Kastners bum-bum-bum und arbeit-arbeit-arbeit brummelnder Stimme und brotlos rumorendem Lärm. Unten um die Füße lappt die Ölpest, auf halber Höhe lärmt der Betrieb, oben klimpert, schwelgt und flötet die Scheinwelt der Smartphonesmarten und Facebookmöchtegerns. Sie, die verkehrte Welt, wird auf Gedeih & Spielverderb auf die Füße gestellt. Mag es für Klassenkampf an Bewusstsein und an Kampfgeist fehlen, um die Lage als Verblendungszusammenhang zu erkennen, der Ichsucht und Entsolidarisierung schürt und den Beiß- und Tretreflex der Habenden gegen die Habenichtse, dazu wäre es ein guter Anfang, die rosarote Brille abzusetzen und die Denkkurbel zu drehen. Ich scheue mich, trotz Adornos Mahnung, dass „das ephemere Bild von Harmonie, in dem Güte sich genießt, einzig das Leiden an der Unversöhnlichkeit um so grausamer hervorhebt, das sie töricht verleugnet“, die Harmoniespuren nur töricht zu deuten, den Krach als aufklärend und einzige Waffe der musikalischen Kritik. Harmonie, wenn auch nicht die Muzakschleimspuren hier, ist auch Vorschein (im Blochschen Sinn), Lärm nerv- und geisttötend. Nicht jeder Widerspruch ist schwarz auf weiß lösbar. 'Künstliches Paradies' ist ein Pleonasmus, kein Oxymoron, und letztlich das, woran wir arbeiten. Kakophilie und Anästhesie sind keine Optionen.
http://www.badalchemy.de/
CRITICAL MASSES
Ugh, work sucks, am I right? Another day, another dollar, or Deutschmark if you’re from Germany, like the Augsburg-based label attenuation circuit is. They use euros there now, you say? Figures. But hey, I love a good round of Kumbaya, a little bit of Namaste, and a whole big chorus of “Come Together” now and again. That’s what makes us all good people in the end, our sense of camaraderie. The EU is one big happy family. I think. I imagine they are anyway.
But still, you gotta get through that workday, and once you do, once you’re on the other side, you can appreciate the parts of your life that aren’t governed by “the Man.” That’s the beauty of it – compared to the 9-to-5, the rest of your day comes off pretty swell, filled with laughter and friends, joy and comfort. Listen, you’re not just a wage slave, in it for the bare living – there’s more to you than that. There’s flavor and color, and you just have to hang on long enough to take advantage of it.
Zur Arbeit I, a collaboration between Ralf Wehowsky and Peter Kastner, aka RLW and PAAK, emphasizes that hanging on is just about the extent the vast majority of people are able to do these days. As a concept, it’s pretty hefty – almost every moment of the record recalls human beings toiling at something, whether it’s in a factory or collaborating in an office or even having lunch with the other stupid drones you’re forced to interact with. I’m not even kidding, though, I’m having a hard time keeping it together, because I feel like “the Man” – there it is again! – is right over my shoulder, watching my every move. He’s siphoning off my future anyway, why shouldn’t he be all up in my business on a daily basis?
RLW / PAAK keep it moving though, from the bizarre harpsichord comedy of errors “Schnaps” to the Terry Gilliam-on-acid lunch break of “Kantine” (and when is Terry Gilliam not on acid, honestly?), finally veering into straight paranoia on “Gerberei.” You know those rose-colored glasses you’re clearly wearing after the whistle blows at the end of the day, the ones that make the evening hours way more acceptable (if you’re not stuck in the graveyard shift)? Liars. Your crummy life really is just better compared to your working one. Time to shake off the haze and think like a human being, not a zombie.
You wanna talk Marx? You wanna talk Social Security? How about our current system where the middle class and the little guy are getting straight railroaded by big business? RLW / PAAK writes odes to the downtrodden in their sleep, then pieces together the results in a musique concrète pastiche as mesmerizing as it is horrifying. But mostly mesmerizing. And even in the horrific parts, it generates more hope than maybe it ought to. That’s probably all on the musicians though. Can’t trust that to the fatcats on Madison Avenue (or whatever the German equivalent of Madison Avenue is).
Grand statements about economic hardship and the plight of the downtrodden aren’t new manifestos, as it were. We’re all just wage slaves. We’re all subject to the safety nets of our respective countries. And when it all comes down to it, are you secure in the knowledge of assistance? Do you trust “the Man”? Are RLW and PAAK blowing smoke? Are you part of one big happy family? Better reevaluate everything, if you ask me.
https://criticalmassesmedia1.wordpress.com/2016/08/29/rlw-paak-zur-arbeit-i/
VITAL WEEKLY
You could easily forget that among the vast amount of CDR and cassette releases by Attenuation Circuit (see also elsewhere) they also release CDs and LPs, and here's one of the latter variety. RLW I should hope, despite releasing a lot less these days, is the well-known brainchild of Ralf Wehowsky, who in the early 80s was the main force behind P16.D4 and the Selektion label. Paak is perhaps less known, but Peter Kästner hails from Hamburg, Germany, and works quite a bit with TBC (see Vital Weekly 987). I assume this record is the result of exchanging sound materials back and forth. Paak gets credit for microphone, voice and noise and RLW for playing the harpsichord, mellotron, rhythm machine, and transformations, while also mixing the side long piece that is 'Schnaps' and 'Gerberei' on the flip, while Paak created the 'Kantine' piece. There seems to be a political theme throughout this record, which is about 'work', and the situation workers are in today. Those seem to be the basics of this release.
I must say that I didn't hear much difference between the two pieces mixed by RLW and the one by Paak, which I guess is a good thing, even Paak seems to be using a lot less of the instrument recordings. Like many of the records by RLW, solo and otherwise, it is all about the balance between non-instruments, noise, objects and such like on one hand and instruments on the other. To hear the mellotron and harpsichord is perhaps quite odd as they surely add a more musical dimension to the release. Sometimes the two are set apart, with a block of 'instruments', followed by a block of 'noise', but sometimes they also are overlaying each other. Especially the harpsichord is a really weird instrument I would think. It is full of history, like baroque music, but it sounds wacky, funny, silly or simply bizarre, when it pops up in these electro-acoustic compositions. It's not easy to make up my mind regarding 'Schnaps', the piece in which these instruments sound most; I think I preferred the second side better. Here the pieces were stricter in composition, tighter if you will, reminding the listener of P16.D4 at times (well, this listener anyway), and there was a fine amount of tension right under the surface, which made me listen over and over again. No work was done, but that's okay. We live in a different age I guess. (FdW)
http://www.vitalweekly.net/1047.html